Im
Erdgeschoss wurden die Segelflugzeuge untergestellt, das Obergeschoss
bestand aus einem großen Raum, den die Flugschüler als Schlafraum nutzten.
Etwas abseits der Halle, Richtung Rabensteiner Straße, wurde eine kleine Hütte
errichtet, die als Küche diente und in der in den Vorkriegsjahren die
Verpflegung für die Jugendlichen zubereitet werden konnte. In
den Vorkriegsjahren fand die Ausbildung in Unterreichenbach hauptsächlich
an Wochenenden statt. Die Durchführung lag in den Händen der Flieger-HJ
und des National- Sozialistischen- Flieger- Korps (NSFK). Durch diese
vormilitärische Segelfliegerausbildung wurden talentierte Jugendliche an
die Fliegerei herangeführt. Hierdurch konnte relativ leicht festgestellt
werden, ob ein Flugschüler für eine weitere Ausbildung auf Motorflugzeuge
überhaupt geeignet war. Ein guter Gleichgewichtssinn und keine Höhenangst
waren unbedingte Voraussetzung für die Ausbildung. Erst in den Kriegsjahren
spielten auch noch die Kosten eine große Rolle, da bei der Segelfliegerei
kein Treibstoff benötigt wurde, aber der Flugschüler bereits Flugpraxis
erhielt, die wiederum die Ausbildungszeit auf Motorflugzeugen verkürzte. In
den Anfangsjahren stellten Lehrer und Flugschüler die Segelflugzeuge bei
der Schreinerei Alt und in der Wollkämmerei Kausemann, dann bei dessen
Nachfolger Vonderlehr im Birsteiner Unterberg, selbst her. Die Segler
bestanden aus Massiv- und aus Sperrholz, das verleimt und verschraubt wurde.
Die Tragflächen waren mit Segeltuch bespannt, der mit Klarlack überstrichen
war. Auch alle Reparaturarbeiten wurden hier unter Anleitung des
Schreinermeisters Heinrich Schauberger, Hettersroth, durchgeführt.
Bei der Ausbildung in Unterreichenbach verwandte man in den Folgejahren den Schulgleiter (SG) 38. Dieser wurde auch als 10m-Zögling bezeichnet. Der Pilot saß angeschnallt im ‘Freien’. Später gab es auch Modelle, bei denen der Pilot wie in einer Wanne saß, die als Boot bezeichnet wurde. An dem Gleiter waren V-förmig nach vorne zwei Gummiseile befestigt, die von zwei Mannschaften mit jeweils 6 - 8 Mann angespannt wurden, wobei die beiden Mannschaften nach vorne liefen. Hatten die Seile die richtige Spannung erreicht, löste der Pilot die rückwärtige Verankerung und der Gleiter katapulierte sich in die Luft.
Je nach Ausbildungsstand und entsprechenden
Wind- und Thermikverhältnissen konnten die Flüge bis an die nördlich von
Unterreichenbach gelegenen Wiesen führen. Auf einem zweirädrigen Wagen
brachten die Flugschüler die Gleiter wieder in Startposition zurück. Ein
weiteres Fluggerät das in Untereichenbach Verwendung fand, war der
Schulgleiter Grunau 9 (SG 9), den die Firma Schneider in Grunau im
Riesengebirge, Kreis Hirschberg, Regierungsbezirk Liegnitz, herstellte. Mit
zunehmender Kriegsdauer kam es bei der Luftwaffe zu einem Mangel an Piloten.
Um die Pilotenausbildung kostengünstiger durchzuführen, gewann die
Segelflugausbildung mehr und mehr an Bedeutung. So wurde auch das Fluggelände
in Unterreichenbach von der Luftwaffe als Ausbildungsort genutzt und als Außenstelle
des Fliegerhorstes Rothenbergen diesem unterstellt. Der Segelflugbetieb mit
Hanggleitern erlangte ab 1942 in Unterreichenbach den Rang einer militärischen
Vorschule. Von
1942 bis Ende 1944 wurde auch auf dem Fliegerhorst Rothenbergen
Segelflugausbildung betrieben. In Deutschland gab es vor und während des
Krieges 36 Flugschulen. Jede dieser Flugschulen hatte zwei Gruppenfluglehrer
denen wiederum jeweils 6 - 7 Fluglehrer unterstanden. Um die
Segelflugausbildung überhaupt erst durchführen zu können, hatte das
Reichsluftfahrtministerium (RLM) angeordnet, daß zunächst die
Gruppenfluglehrer eine Segelflugausbildung machen mußten. Hierzu wurden sie
zu einem Lehrgang nach Rothenbergen einberufen. Da die Größe des Platzes
in Rothenbergen nicht ausreichte, wurden in Altenstadt, Ettinghausen bei Grünberg
und in Unterreichenbach Außenstellen eingerichtet. Im Gegensatz zu den
anderen Plätzen, die Schleppflugzeug oder Winden zum Start der Segler
einsetzten, wurden die Starts in Unterreichenbach nach wie vor mit dem
Gummiseil durchgeführt. Die Segelflugschule in Rothenbergen unterstand
direkt dem Reichsluftfahrtministerium (RLM) und wurde ab 1942 von einem
Major Sarnighausen geleitet.2) Die
Segelflugausbildung unterstand Hauptmann Berke, der vom Leithorst Liegnitz
nach Rothenbergen versetzt worden war. Dieser stelle im Jahre 1942 im
Auftrag des RLM das Ausbildungspersonal zusammen, das sich hauptsächlich
aus ihm bekannten Soldaten seiner Liegnitzer Zeit zusammen setzte. Das war
zunächst einmal Feldwebel Willi Fischer, den der Versetzungsbefehl in Oslo
erreichte und von dem später noch die Rede sein soll. Der Unteroffizier
Kurt Wieden aus Solingen wurde aus Frankreich nach Rothenbergen versetzt.
Unteroffizier Klaus Krause, gebürtig aus Jauer in Niederschlesien, war im Südabschnitt
der Ostfront eingesetzt und traf am 5. Sept. 1942 in Gelnhausen ein. Er
schloss sich einer Wandergruppe an und erreichte im Laufe des Tages den
Fliegerhorst Rothenbergen zu Fuss. Der Obergefreite Oskar Hermann aus
Liegnitz war bereits auf dem Fliegerhorst Rothenbergen Gleitfluglehrer und
wurde dort noch zum Segelfluglehrer im Doppelsitzer ausgebildet. Weitere
Ausbilder waren der Obergefreite Hans-Joachim Senssfelder und der Gefreite
Karl Johne aus dem Sudetengau. 3) In
Rothenbergen wurde auch die streng geheime Ausbildung von Marinesoldaten an
dem Schlepp-Tragschrauber Focke-Steglitz 330 (Bachstelze) durchgeführt, der
von U-Booten aus zur Aufklärung zum Einsatz kam. Die Ausbildung der
U-Boot-Matrosen diente der Führung und Beherrschung des vorgenannten
Fluggerätes. Willi Fischer leitete vom 4. Dez. 1942 bis 15. Febr. einen
Lehrgang mit zwölf U-Bootmatrosen in Rothenbergen. Die Ausbildung umfasste
eine ganz normale Segelflugausbildung mit Winden- und Flugzeugschlepp,
sowohl unterrichtsmäßig als auch fliegerisch und schloss mit dem Erwerb
des Luftfahrerschein für Segelflugzeugführer ab. An der dann folgenden
Umschulung auf die ‘Bachstelze’ konnte er nicht mehr teilnehmen, da
Feldwebel Willi Fischer nach Unterreichenbach als Segelfluglehrer und
Gruppenleiter kommandiert wurde. 4) Dort leitete er vom 17. Febr.
bis 3. März 1943 eine Anfängerschulung. Nach erfolgter Schulung in
Unterreichenbach gingen die Soldaten nach Rothenbergen oder Altenstadt zurück
um dort, entsprechende Eignung vorausgesetzt, im Doppelsitzer ‘Kranich’
bis zum Alleinflug im Winden- bzw. Flugzeugschlepp weitergeschult zu werden.
Dem schloss sich vom 22. Juni bis 5. Juli 1943 eine
Gleitfluglehrerausbildung und vom 22. Nov. bis 1. Dez. 1943 wieder eine Anfängerschulung
an. Das
Stammpersonal, einschließlich der Sanitäter und Techniker, war bei
Landwirten in Unterreichenbach untergebracht. Willi Fischer war bei der
Familie Heinrich Bach, Haus-Nr. 37, die auch die Poststelle führte,
einquartiert. Die nach Unterreichenbach abkommandierten Soldaten waren im
Saale der Gaststätte Herchenröder untergebracht und wurden auch dort
verpflegt. In Unterreichenbach waren jeweils zwei bis drei Fluggruppen von
jeweils zwanzig Flugschülern pro Gruppe stationiert. Täglich wurde dann
der Weg zwischen dem Dorf und dem Ausbildungsgelände am ‘Äppelberg’ in
Marschkolonne zurückgelegt. Es kam aber auch vor, daß die Ausbildung
ausgesetzt wurde. Bei einem überraschenden Besuch von Hauptmann Berke im
Sommer 1943 fand dieser das Übungsgelände verweist vor, da alle Soldaten
den Bauern bei der Heuernte halfen. Zwar mußten sich die Ausbilder einige
Vorhaltungen anhören, Hauptmann Berke zeigte aber Verständnis, so daß es
keine weiteren Konsequenzen nach sich zog. Nach
dem Ende des Krieges befürchtete die Gemeinde, daß durch die Ausbildungsstätte
am ‘Äppelberg’ es zu Repressalien seitens der Besatzungsmacht kommen könnte.
Auf Veranlassung von Bürgermeister Schleich wurde im Herbst 1945 die Halle
am ‘Äppelberg’ durch Ortsbewohner überstürzt und planlos abgerissen.
Noch brauchbare Teile des Gebäudes verwendeten die Landwirte zum Bau einer
Dresch- und Maschinenhalle in der Bachgasse, nachdem sie von Konrad Schleich
entsprechend umgezimmert worden waren. Selbst die Betonfundamente, auf denen
die Eckpfosten standen, wurden ausgegraben und beim Hallenbau wieder
genutzt. So waren schon kurze Zeit nach Ende des Zweiten Weltkrieges alle
Spuren an den Segelflug in Unterreichenbach verschwunden. Quellen
und Literaturnachweis 1.
Persönliche Erinnerungen von Wilhelm Rückriegel, Niedergründau 2.
Gerhard Freund, Der Fliegerhorst Gelnhausen Rothenbergen 1995 3.
Persönliche Erinnerungen von Klaus Krause, Gelnhausen 4.
Persönliche Erinnerungen von Willi Fischer, Rodewisch, Vogtland.
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