Ortsteile Bösgesäß / Bös -Gesäß)
Ortsteil der Gemeinde Birstein
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Bösgesäß gibt es gleich zweimal in der heutigen Gemeinde Birstein: Bösgesäß
1, wie der Ortsteil im heutigen Verwaltungsgebrauch bezeichnet wird,
ist allgemein bekannt als „preußisch Bösgesäß“ und mit 65
Einwohnern[1]
kleinster Ortsteil der Großgemeinde. Das Dorf liegt am linken Brachtufer
in einer Höhenlage von etwa 323 m über NN. Die Gemeinden Bösgesäß,
Fischborn, Kirchbracht und Birstein begründeten mit Wirkung vom 1.
Februar 1971 durch freiwilligen Zusammenschluss die neue Großgemeinde
Birstein. Hessisch
Böß-Gesäß kam mit Wirkung vom 31.12.1971 zusammen mit Illnhausen
aus dem ehemaligen Kreis Büdingen zur in Entstehung begriffenen Großgemeinde
Birstein hinzu und wird von der Verwaltung folglich als Böß-Gesäß 2
bezeichnet. Böß-Gesäß 2 liegt am rechten Brachtufer, ebenfalls
323 m hoch und hat 109 Einwohner.[2] Obwohl diese beiden Dörfer somit zu den kleinsten Ortsteilen der Gemeinde Birstein gehören, haben sie doch eine interessante Geschichte und im Vergleich zu manchen größeren Orten sind im 19. Jahrhundert die Auswirkungen der großen Politik in Bösgesäß/Böß-Gesäß besonders deutlich geworden, denn sie teilten mit zahlreichen Orten das Schicksal von Grenzorten im kleinstaatlichen Deutschland. So wurde im Jahre 1816 aus der Verwaltungsgrenze zwischen zwei Amtsbezirken innerhalb des Fürstentums Isenburg eine Staatsgrenze zwischen dem Kurfürstentum Hessen-Kassel und dem Großherzogtum Hessen-Darmstadt und ab 1866 zwischen dem Königreich Preußen und dem Großherzogtum Hessen-Darmstadt. Nach der Reichsgründung 1871 blieb die Bracht weiterhin Landesgrenze, was sich erst im Jahre 1946 bei der Gründung des heutigen Bundeslandes Hessen änderte, als die Bracht zur Kreisgrenze wurde. Erst die Gebietsreform 1971 brachte die „Wiedervereinigung“.
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Bösgesäß - Böß-Gesäß
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vielen
Dank für die freundliche Übersendung eines Belegexemplars des Birsteiner
Heimatboten. Ich habe (naheliegenderweise) in dem schönen Heft geblättert,
die gelungene Karte mit den Flurnamen von Bösgesäß betrachtet (leider
sind, wenn ich's nicht übersehen habe, die Namen Nr. 48 und 49 nicht
lokalisiert) und auch Ihren historischen Beitrag mit Interesse gelesen.
Als Deutung des Ortsnamen haben Sie die frühe Deutung von Simon übernommen,
wonach ein *Boso namengebend war. Das kann nun nach der Überlieferung
des Ortsnamens, für die Sie die Quellen anführen, so nicht richtig sein.
Aus sprachwissenschaftlich-namenkundlicher Sicht halte ich die folgende
Erklärung für angemessener:
Unstrittig
ist der Grundteil des Namens: Gesäß < mhd. gesezze hängt
mit 'Sitz' zusammen und bezeichnet also den Wohnsitz, die Hofanlage, die
Siedlung von jemandem. Dieser Namenteil kommt nicht selten vor, z.B. auch
in Etzengesäß im Odenwald.
Die älteren
Namenformen aus dem 14. und 15. Jh. enthalten im ersten Namenbestandteil
immer ein n: Buns-und Bons-. Das kann man unmöglich mit
einem Personennamen zusammenbringen, denn woher sollte dann das n kommen? Vielmehr
müssen wir von einem Personennamen Bunizo oder Bonizo
ausgehen. Beide Namen sind als altdeutsche Namen belegt. Obwohl Bunizo
seltener belegt ist, ist diese Form wahrscheinlicher. Man kommt in der
mittelhessischen Sprachgeschichte nämlich leicht von u zu o,
z.B. Mund wird dialektal zu mond, aber nicht umgekehrt.
Damit sind die alten Namenformen leicht erklärt.
Wie wird aber
aus spätmittelalterlichem Bons- heutiges Bös-? Auch hier
wirkt sich eine mittelhessische Dialekterscheinung aus, nämlich der
Ausfall des n bei gleichzeitiger Dehnung des vorangehenden Vokals.
So heißt es wohl auch in Birstein noch heute u:s für uns.
Wahrscheinlich (das müssten Sie leicht überprüfen können) sagt man
nicht mehr li:se für linsen. In weiten Teilen Mittelhessens
ist das aber noch so. So heißt z.B. mein Hausberg, auf den ich täglich
schaue, der Dünsberg, im Volksmund di:sberich. Dieser n-Ausfall
hat früher mit Sicherheit auch in Ihrem Sprachraum gegolten und ist heute
durch den hochsprachlichen Einfluss weitgehend verloren gegangen. Damit
ist der Verlust des n erklärt.
Der Umlaut ö
schließlich ist so zu erklären, dass er schon den alten Schreibweisen Bons-/Buns-zugrunde
lag, weil das i in *Bunizo den Stammvokal bereits umgelautet
hat (vgl. Hund-hündisch, Tag-täglich usw.). Der Umlaut wurde früher
meist in der Schreibung nicht gekennzeichnet. Bös- hat sich also
ganz lautgerecht entwickelt. In der Mundart müsste der Ortsname heute als
bi:s- ausgesprochen werden.
Erleichternd
kam natürlich hinzu, das bös(e) ja auch ein Wort mit eigener
Bedeutung ist. Früher hatte es allerdings nicht die moralische Bedeutung
wie heute, sondern bedeutete einfach 'schlecht': Eine Bösgewann
als Flurname bezieht sich auf eine Gewann mit schlechtem Boden. Das mag
bei der Stabilisierung der
Bös/Böß-Schreibung
bis in die Gegenwart mitgewirkt haben. Aus den unterschiedlichen s-Schreibungen
ist in diesem Fall allerdings nichts abzulesen: Das sind
Schreibergewohnheiten. Es ist auch klar
und wird ja auch aus der Flurkarte
ganz deutlich, dass es sich bis zur herrschaftlich bedingten Trennung
ursprünglich um eine einheitliche Siedlung handelte, durch die eben die
Bracht floss und fließt.
Ich
hoffe, mit dieser Deutung für Bösgesäß und seine
Namengeschichte einen winzigen Beitrag zu der Heimatgeschichte Ihres
Raumes geleistet zu haben. Sie können diesen Text gern im nächsten Heft
Ihres Heimatboten abdrucken.
[1]
Einwohnerzahl Stand 1.9.97 und Höhenangabe aus dem Vorbericht zum
Haushaltsplan 1998 der Gemeinde Birstein.
[2]
wie ¹
[3]
Siehe in: Heimatbuch des Kreises Gelnhausen, 1950, S. 259ff.
[4]
Siehe: Birsteiner Geschichtsblätter, Chronik der Orte des Gerichtes
Reichenbach ..., von Edmund Spohr, Kap. 4.8.12.
FIAB:
Rotes Buch, Blatt 334
FIAB:
Akte Nr. 4778, Abschriften von Urkunden Blatt 2
Ysenb.Büdinger
Archiv: Büdinger Rotes Buch, Seite 373
gedruckt:
Reimer Band III, Nr. 324
Simon
Band III, Nr. 167
und
FIAB: Rotes Buch, Blatt 123
FIAB:
Urkunde Nr. 122
Ysenb.Büdinger
Archiv: Büdinger Rotes Buch, Seite 146 und Urkunde Nr. 1111
gedruckt:
Reimer Band IV, Nr. 371
[5]
Wie 4) und FIAB: Urkunde Nr. 618
[6]
Büdinger Geschichtsblätter Band V, 1962/63
[7]
Siehe: Büdinger Geschichtsblätter, Band V. Jahrgang: 1962/63
Jahresringchronologie
Hessischer Eichen
B.
Baugeschichtlicher Teil
Neue
geschichtliche Erkenntnisse auf naturwissenschaftlicher Grundlage
gezeigt an einer Eichenholz-Jahresringchronologie im Bereich der
Wetterau, des Vogelsberges und des Odenwaldes.
Von
Walter Nieß, S. 56: